August

Walderdbeere

Abb. 1: Busch
Abb. 1: Busch
Abb. 2: Blüte, Beere und Blatt
Abb. 2: Blüte, Beere und Blatt

Fragania vesca, Rosengewächse, Rosaceae, Staude

Mittelalterliche Klostergärten bieten, wie schon in dem Beitrag vom März ausgeführt, Heimstatt für vier Pflanzengruppen:

  • Heilpflanzen
  • Gewürzpflanzen
  • Pflanzen zum Färben und zur Wollbearbeitung sowie
  • Symbolpflanzen.

Alle vier Gruppen finden sich auch im Klostergarten Amelungsborn.

Im März-Beitrag war angekündigt worden, in einem der Sommermonate mit der Mariendistel eine besonders eindrückliche Symbolpflanze vorzustellen. Leider hat Schneckenfraß diesen Plan zunichte gemacht. In diesem Jahr gibt es im Amelungsborner Klostergarten keine Mariendistel.

So wenden wir uns nun einer anderen Symbolpflanze zu: Der Walderdbeere.

Walderdbeeren kommen in ganz Europa und Nordasien vor und gedeihen am besten im Halbschatten, in lichten Wäldern und an Waldesrändern. Sie benötigen humus- und nährstoffreiche Böden. Im Amelungsborner Klostergarten finden sie ideale Bedingungen vor.

Schon im Mittelalter wurden sie kultiviert. Allerdings schlugen alle Versuche, durch züchterische Auswahl zu größeren Beeren zu gelangen, fehl. Die großfruchtige Gartenerdbeere ist kein Abkömmling der Walderdbeere, sondern Ergebnis der Kreuzung von der aus Amerika stammenden Scharlacherdbeere mit der Chile-Erdbeere.

Walderdbeeren sind 5 bis 20 cm hoch und bilden leicht Wurzelausläufer. So kann man mit diesen Pflanzen recht schnell Gartenstücke begrünen. Wer allerdings vor zu großer Ausbreitung sicher sein will, zieht sie in Gefäßen und verhindert so eine ungewollte Ausläuferbildung. (Abb. 1: Busch)

Die Blüten haben fünf weiße Kronenblätter, welche die in der Mitte befindlichen gelblichen Fruchtblätter umrahmen. Sie blühen durch den ganzen Sommer bis sogar in den Winter. Eine Besonderheit ist, dass ab dem Sommer stets zugleich Blüten und Beeren zu sehen sind.

Die Beeren sind nicht die eigentlichen Früchte. Diese sitzen als etwa 1 mm lange hartschalige Nüsschen auf der sich im Prozess der Reifung verdickenden Blütenachse. Deren Gewebe verfärbt sich allmählich von grün nach rot und gewinnt dabei einen hocharomatischen Geschmack. (Abb. 2: Blüte, Beere und Blatt)

Die Blätter enthalten u.a. Gerbstoffe, Salizylsäure, Chlorogensäure, Zimtsäure und Flavonoide. In den Wurzeln ist der Wirkstoff Rutin nachweisbar.

In der Volksheilkunde werden die Blätter als Tee bei Durchfällen eingesetzt, bei Harnwegserkrankungen, Rheuma und zum Gurgeln bei Halsentzündungen.

Die Beeren können in der Küche vielfältig verwendet werden; oder zum Naschen.

Auf vielen Bildern aus dem späten Mittelalter und der Renaissance sind Lilien, Akelei oder eben die Walderdbeeren zu sehen, drei Symbolpflanzen für Maria.

Als rosenförmige Blüte ohne Dornen, als Beere ohne Kern, die gleichzeitig blüht und fruchtet, symbolisiert die Walderdbeere die Jungfrauschaft Mariens: Eine junge Frau, die nicht auf Konfrontation zu ihrem Geschick geht, die auf eigene Wünsche verzichtet, die dabei ihre Würde behält und die zu einer der wirksamsten Frauen des Neuen Testaments gehört – das ist die Mutter Jesu. Im Klostergarten des Zisterzienserklosters Amelungsborn ist die sie symbolisierende Walderdbeere deshalb eine überaus sinnfällige Pflanze: Alle Zisterzienserkirchen auf dem gesamten Erdenrund sind Marienkirchen.

Die dreigeteilten Blätter (s. Abb. 2) sind obendrein Hinweis auf die Dreifaltigkeit:  Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist.

So treffen sich zwei Symbolgehalte in dieser kleinen hübschen Pflanze. Dieses fast unscheinbare, fruchtbare, sich überall durchsetzende Gewächs ist wirklich voller Überraschungen!

Achtung! Vor unkontrollierter Selbstmedikation mit Walderdbeeren wird dringend abgeraten!

(Text und Fotos: Familiare Joachim Franke)

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