März

Grüne Nieswurz

Abb.1: Ganze Pflanze

Helleborus viridis, Hahnenfußgewächse, Ranunculaceae, Staude

In den ersten Monaten des jungen Jahres liegt eine tiefe Winterruhe über dem Klostergarten.Nichts scheint sich zu tun. Ab Februar dann ist eine Blüh-Staude zu sehen, der die Kälte scheinbar nichts anhaben kann: Die Grüne Nieswurz.

Der berühmte Staudenzüchter Karl Foerster (1874 – 1970) schrieb über sie: „Eine merkwürdige Pflanze, der es ihrerseits Spaß macht, Winter und Welt auf den Kopf zu stellen und monatelang aus frischdunkelgrünen Büschen hellgrün zu blühen.“

Als sie der zurück gehenden letzten Eiszeit folgend nach Norden hin bis nach Mitteleuropa sich neue Lebensräume eroberte, tat sie das mit einer raffinierten Strategie.
Um möglichst früh austreiben und blühen zu können und einen Vorsprung vor Lichtkonkurrenten zu haben, entwickelte sie die Fähigkeit, den Zuckergehalt des Pflanzensaftes zu erhöhen und sich damit einen Frostschutz zu schaffen.

Das funktioniert allerdings nicht unbegrenzt. Als der Verfasser Ende Februar weitere Aufnahmen machen wollte, um die geöffnete Blüte zu zeigen, hatte die Temperatur von - 10 Grad C, die sich einige Tage zuvor eingestellt hatte, die Pflanzen zum Erschlaffen gebracht.
Der Verfasser ist neugierig, ob sich die Grüne Nieswurz bei wärmeren Temperaturen wieder erholt und ihren Vorsprung sichern wird.

Abb. 2: Detail

Die Grüne Nieswurz wird 10 bis 40 cm hoch, gelegentlich sind auch höhere Exemplare gesehen worden.
Sie blüht in den Monaten März und April und gedeiht in halbschattigen Lagen auf frischen nährstoff- und humusreichen Böden. An ihrem Vorkommen an den Alpenrändern wird deutlich, dass Kalk und Steine sie nicht schrecken.

Die meist zweiteiligen Grundblätter sind nicht winterfest (anders als bei der ihr verwandten Christrose/Schneerose), wohl aber die Hochblätter, die handförmig sieben- bis neunfach geteilt sind. Diese sind am Rande zu den Enden hin fein gesägt.
Sie wird auch „Grüne Christrose“ genannt.

Der Name „Grüne“ (lat. viridis = grün) Nieswurz erklärt sich aus der Farbe der fünf grünen Kelchblätter. Diese bilden die 3 bis 6 cm große „Blüte“ aus, die sich herabhängend am Stiel befinden. Weil sie im Grunde zum Blattwerk gehören, sind sie auch so lange haltbar.

Die Monatspflanze wird der Familie der Hahnenfußgewächse zugerechnet, zu der u.a. auch die Waldrebe (Clematis), Akelei und Rittersporn gezählt werden.

Sie bringt zwei bis fünf sogenannte „Balgfrüchte“ hervor, die jeweils den Samen bergen.

Die Grüne Nieswurz wird in die Giftklasse III eingeordnet. D.h. sie ist sehr stark giftig. Auch für Tiere.
Sie steht unter Naturschutz.

Abb. 3: Gartenform

Die Inhaltsstoffe sind: Bufadienolide (0,5 bis 1 %), die Alkaloide Celliamin und Sprintillamin. Diese befinden sich im Wurzelstock mit Wurzeln.
Das Saponingemisch Helleborin reizt die Schleimhäute. Das brachte findige Erfinder darauf, getrocknete und zerstoßene Pflanzenteile der Nieswurz als Bestandteile dem Niespulver beizumengen.
Diese Verwendung ist heute wegen der Gefährlichkeit der Droge gesetzlich untersagt.

In der Kloster- und Volksmedizin wurde die Grüne Nieswurz eingesetzt bei Durchfallerkrankungen, bei Herzbeschwerden, Menstruationsleiden, Wurmbefall und Nierenentzündung.
Allerdings fehlt für die entsprechende Wirkung bisher jeder nachprüfbare Nachweis. Belegt ist lediglich die Toxizität.

Seit der Antike aber gilt sie als Wunderpflanze gegen Epilepsie und Melancholie (heutiger Begriff: Depression). Ein Hirte in Hellas soll mithilfe der Milch von mit Helleborus gefütterten Ziegen die geistige Verwirrung der Töchter des (mythologischen) Königs Proitos geheilt haben.
Horaz empfahl, die Droge aus der Nieswurz Geizhälsen in großer Menge zu verabreichen. Er bezweifelte aber, ob dazu genug Nieswurzpflanzen wüchsen.
Auch Hippokrates erwähnt die Staude; ebenso Hildegard von Bingen.
Dummerweise ist da immer nur von „helleborus“ die Rede. Unsere heutige Diversifikation war damals ungebräuchlich.
Glücklicherweise werden heutzutage keine Patienten mehr von ihren Ärzten mit Helleborus traktiert.

Sie ist – sozusagen – ein Teufelszeug.
Und wie Teufelszeug manchmal so daherkommt – sie ist schön anzusehen.

Im Amelungsborner Klostergarten ist auch eine violette Nieswurz zu sehen. Es handelt sich vermutlich um die gezüchtete Gartenform einer weiteren Helleborus-Art. (Abb. 3)

Achtung! Vor unkontrollierter Selbstmedikation mit Grüner Nieswurz wird dringend abgeraten!

(Text und Fotos: Familiare Joachim Franke)