November

Abb. 1: Der Gesamtstrauch

Zwar ist Friedrich Hebbels letzte Rose des Sommers rot und wird ihm zum Gleichnis für die Vergänglichkeit des Lebens, aber wer in den Novembertagen den Klostergarten besucht, wird die Entdeckung ebenfalls von letzten Rosen machen.
An der Südwand der Kantorey befindet sich die

Kletterrose „New Dawn“ 

Rosa wichuraiana-Hybride, Rosengewächs, Rosaceae, Gehölz

Gemessen am Alter der aus der Antike nach Europa gekommenen Rosen sind die modernen Rosen noch jung. Erst im 19. Jahrhundert wurden Rosen vor allem aus dem ostasiatischen Raum in das Abendland gebracht und veränderten hier die Rosenzucht von Grund auf.
Darunter war auch eine von dem Diplomaten Dr. Max Ernst Wichura 1859 von dort hierher mitgenommene Rose mit kräftigem und robustem Wuchs. Sie hatte allerdings die Eigenschaft der allermeisten damaligen Rosen, lediglich vier Wochen im Hochsommer zu blühen und danach die Zeit mit dem Reifen der Hagebutten zu verbringen.
Diese „Rosa wichuraiana“ wurde in der Folgezeit mit Edelrosen gekreuzt, um die Blütenform und -größe zu verbessern und eine längere Blühzeit zu erreichen.

Abb. 2: Blüten im November

Rosen lassen sich leicht kreuzen. So haben Rosenfreunde seit jeher ihren Ehrgeiz daran gesetzt, die Rosen immer größer, gesunder werden zu lassen und immer neue Blütenfarben zu gewinnen. Dabei besteht das Verfahren darin, Rosen mit bestimmten Eigenschaften mit Rosen zu kreuzen, die andere (erwünschte) Eigenschaften haben – und zu hoffen, dass unter den daraus entstandenen Sämlingen der eine oder andere ist, der dem angestrebten Ziel nahe kommt. Die modernen Verfahren genetischer Veränderung haben – glücklicherweise – noch nicht Platz gegriffen.

1901 brachte der amerikanische Rosenzüchter Dr. Walter van Fleet aus den Kreuzungen der „R. wichuraiana“ eine Rose hervor, die er nach sich selbst benannte. 30 Jahre später stellte die englische Rosenschule „Somerset Nursery“ eine Mutationen dieser Rose unter dem Namen „New Dawn“ vor, die weltberühmt wurde.
Sie war die erste reich wiederholt blühende Kletterrose. Sie wächst stark, hat edelrosengleiche zartrosa Blüten mit einem feinen Duft nach Grafensteiner Äpfeln, nasses Wetter macht ihr wenig aus.
Erst der Frost lässt sie das Blühen einstellen, und frosthart kommt sie gut durch den Winter.

Bei den Kletterrosen wird heutzutage unterschieden zwischen den bis über 8 m hohen „Rambler“-Rosen und den „Climber“-Rosen, die bis zu etwas 3 m Wuchshöhe erreichen. Zu letzteren zählt auch die „New Dawn“.

Abb. 3: Hagebutten der New Dawn

Die lange Blühzeit bewirkt, dass auch bei ihr im Herbst zugleich Blüten und Hagebutten zu sehen sind.

Die Abbildungen 2 und 3 zeigen aber ebenfalls, dass auch die so gesunde „New Dawn“ im Herbst mit der verbreiteten Rosenkrankheit „Sternrußtau“ zu kämpfen hat: Die punktförmigen schwarzen „Sterne“ verhindern den Stoffwechsel an den Blättern und lassen diese erst gelb werden und dann absterben. Andere Rosen verlieren aufgrund dieser Pilzerkrankung oft schon im August oder September ihr Laub.

Die „New Dawn“ ist keine Rose aus dem Mittelalter, aber ein moderner Klassiker, der immerhin auch schon 80 Jahre alt ist. Es gibt unter den in den letzten 100 Jahren gezüchteten Rosen nur sehr wenige Sorten, die eine so lange Anbauzeit aufzuweisen vermögen. (Sie ist immer noch erhältlich.) Und sie ist eines derjenigen Gehölze des Klostergartens, die die Dimension der Höhe in die Welt der Stauden und ein- bis zweijährigen Pflanzen bringen.

(Text und Fotos: Familiare Joachim Franke)