Mai

Salomonsiegel (Die Vielblütige Weißwurz)

Polygonatum muliflorum, Spargelgewächse, Asparagaceae, Staude 

 

In den Monaten Mai und Juni fällt im Klostergarten das Salomonssiegel auf. Es bildet 30 bis 60 cm hohe Büsche, tritt aber auch als einzelner Stängel in Erscheinung. Man kann es einfach nicht übersehen.

Abb. 1 Ganzer Busch

Die Vielblütige Weißwurz ist in der gemäßigten Klimazone der nördlichen Halbkugel in feuchten schattigen Wäldern heimisch. Daher trägt sie auch die Namen „Wald-Weißwurz“ oder „Wald-Salomonssiegel“.

Für den Verfasser war es etwas irritierend, dass sie in einigen älteren Werken als Liliengewächs geführt wird, in anderen als Maiglöckchengewächs und in neuesten als Spargelgewächs. Die alte Naturkunde entwickelt sich gegenwärtig nach molekularbiologischen Forschungsergebnissen rasant weiter. 

Der Stängel der Vielblütigen Weißwurz ist rund, im Gegensatz zum kantigen Stängel der selteneren Echten Salomonssiegel (Polygonatum odoratum). Aus den Achseln der elliptischen, ca. 5 bis 8 cm langen wechselständigen Blätter, wachsen Blütenstände mit 2 bis 5 weißen kelchförmigen Blüten mit grünlichen Spitzen. Die Blüten sind jeweils 10 bis 12 mm lang. So sind nur Insekten mit sehr langen Rüsseln in der Lage, den Nektar zu erreichen, z.B. Hummeln. Häufig ist auch die Selbstbestäubung.

Abb. 2 Stängel

Das knotig verdickte Rhizom hat einen Durchmesser von 5 bis 9 mm. Von der weißen Farbe dieses Wurzelstocks hat die Pflanze ihren Namen „Weißwurz“.

Die Knoten und Vertiefungen im Rhizom sind mit Fantasie als „Siegel“ zu deuten. Der Name „Salomonssiegel“ stellt eine Verbindung zum altjüdischen König Salomo her, der (der Fama folgend) mithilfe dieser Zauberpflanze einen dem Tempelbau hinderlichen Felsen losgesprengt haben soll. Diese Verbindung lässt sich von der Bibel allerdings nicht herleiten.

 

In den Monaten Juli bis September reifen die Früchte von grünen zu tief dunkelblauen mit einem zarten Reif überzogenen Beeren, die einen Durchmesser von 7 bis 9 mm haben.

 

Die Inhaltsstoffe der Vielblütigen Weißwurz sind Steroidsaponine und Flavonoide. Alle Pflanzenteile sind giftig, insbesondere die Beeren.

Vergiftungen mit ihr sind von Schwindel und Brechdurchfall begleitet.

 

Wegen ihrer Harn treibenden Effekte wurde die Weißwurz früher bei entsprechenden Beschwerden eingesetzt, in der Volksheilkunde bei Magenbeschwerden, Gicht und Rheuma.

Auch die Schleim lösende Wirkung wurde genutzt, desgleichen die antibakterielle. 

Heute findet sie äußerlich Verwendung als Breiumschlag bei Prellungen und Blutergüssen.

Der Wurzelstock der Vielblütigen Weißwurz gilt als die „Springwurz“ der Sage, die die Kraft hat, verschlossene Türen zu öffnen, Felsen zu sprengen sowie verborgene Quellen zu finden und die nur vom Specht gefunden wird:

 

               Der Schwarzspecht ist ein Kräutermann,

               Kennt manches Zauberkraut im Tann,

               Das im Verborgnen sprießet.

               Er hält ob einer Wurzel Wacht,

               Die alle Schlösser springen macht

               Und jede Tür erschließet.

                                                                          (Rudolf Baumbach, 1840 – 1905 )

 

 

Achtung! Von unkontrollierter Selbstmedikation mit Salomonssiegel wird dringend abgeraten!

 

(Text und Fotos: Familiare Joachim Franke)