Jan von Brunswick / Das Versepos Wigalois

Ein wenig bekanntes mittelhochdeutsches Versepos aus dem literarischen Umfeld der Artusromane, das einzige Werk des ostfränkischen Ritters Wirnt von Grafenberg (12./13. Jh.), erzählt nach einem keltischen Rittermärchen von dem abenteuerlichen Schicksal des Wigalois, dem durch die Befreiung einer Frau von einem Unhold und als Belohnung für die damit verbundenen Prüfungen und sein tadelloses Verhalten Reichtum und ein langes glückliches Leben winken. Es mündet in dem pädagogischen Appell, Wigalois' gottgefälligem Tun nachzustreben. Die reiche Wirkungsgeschichte des 1200-1210 entstandenen Werkes reicht in etlichen Handschriften und Fragmenten bis ins 19. Jahrhundert. Ältestes illustriertes Exemplar ist die in der Leidener Universitätsbibliothek verwahrte Wigalois-Handschrift von 1372, eine Auftragsarbeit von ungewöhnlicher Besonderheit, da sie den Namen und das Bild des Schreibers her jan uon brunswik monek tho amelunges born (Herr Jan von Braunschweig, Mönch zu Amelungsborn), den Empfänger Herzog Albrecht II von Braunschweig-Grubenhagen (1361-1384) und das Entstehungsjahr vermerkt.
Es erscheint auch nicht abwegig, dass der als Miniator bekannte Abt Engelhard (1355-1371) die 49 kunstvollen, meist halbseitigen Miniaturen geschaffen hat.
Trotz eines sehr dürftigen Quellenbestandes dokumentiert die Wigalois-Handschrift zusammen mit der bereits 1280/90 verfassten fünfbändigen Amelungsborner Bibel die Existenz eines leistungsfähigen Amelungsborner Skriptoriums, das bis in die Zeit des aufkommenden Buchdrucks und der für Amelungsborn tiefgreifenden institutionellen Veränderungen durch die Reformation Bestand hatte.

H.W. Göhmann 2012