Ostermanns Vortrag

Amelungsborn - ein evangelisches Zisterzienserkloster
von
Berthold Ostermann, Familiare

Ein bisschen Neugier gehört zum Leben. Es reizt uns, einmal über den Zaun zu gucken in Nachbars Garten. Es lockt uns, auch einmal andere Haushalte und Verhältnisse kennen zu lernen, um dann beruhigt feststellen zu können, dass dort auch nur mit Wasser gekocht wird, oder gar, dass man es selbst viel besser macht Gerade auf den Vergleich kommt es uns an.

Blick über den Zaun

Auch ein Blick über die Grenze der Kirchengemeinde könnte durchaus reizvoll sein. Wie geht es in anderen Gemeinden zu? Wie spielt sich da das Gemeindeleben ab, im Vergleich zu unserem? Wie ist das Klima? Sind Volksmission (im guten Sinne des Wortes), Innere und Äußere Mission Themen, die die Gemeinde beschäftigen? Machen wir da eine gute Figur, oder müssen wir uns schämen! Gerade auf den Vergleich kommt es uns an.
Ich habe heute die Ehre und große Freude, Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, das Evangelische Zisterzienserkloster Amelungsborn vorstellen zu dürfen.

Wer sind wir?

Wer sind wir? Viele Fragen werden an uns gestellt:  "Ist die Kirche hier eigentlich evangelisch oder katholisch: Dort brennt ein 'ewiges Licht', da gibt es Chorgestühl und Kniebänke!"  Gottesdienstbesucher von außerhalb registrieren, dass sich  Kinder, Jugendliche und Erwachsene bekreuzigen, lebendig respondieren, knien, kräftig singen, am gottesdienstlichen Geschehen beteiligt sind.
Liest man den Gemeindebrief, finden sich Einladungen zum täglichen Gottesdienst, zu regelmäßigen Beichtgottesdiensten und zu Hauptgottesdiensten an Gedenktagen für Heilige. Wer sind wir? Was sind wir in ökumenischer Landschaft und was ist unser Charisma?

870jährige Tradition in Gottesdienst und Gebet

Wir Amelungsborner kennen unsere Geschichte, unseren Platz in der ev.-luth. Kirchengemeinde St. Marien ebenso wie im Kirchenkreis Holzminden-Bodenwerder im Sprengel Göttingen in der großen und vornehmen Landeskirche Hannover. Wir kennen die rund 870jährige Tradition dieses Ortes, mit dem wir uns sehr identifizieren. Aber man lebt ja nicht von der Tradition, sondern von der Geschichte, wir leben von der weitergeführten, lebendig gemachten, einer Aufgabe zugeführten Tradition. Die alte, in meinen Augen allerdings unverzichtbare Tradition dieses Ortes sind Gottesdienst und Gebet. "Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet". (Acta 2, 42) Daraus erwächst Gottesbegegnung und Gotteserfahrung.
Amelungsborn ist ein Ort der Gottesbegegnung und Gotteserfahrung!

Was ist ein Kloster?

"Kloster ist zunächst der von der Außenwelt abgesonderte Bau für eine religiöse Gemeinschaft, dann auch die religiöse Gemeinschaft selber mit ihrer Geschichte, ihrer inneren Struktur und äußeren Tätigkeit, ihrem wirtschaftlichen Besitz und ihrer politischen Herrschaft. Kloster stammt von lat. claustrum, das in den romanischen Sprachen den Kreuzgang bezeichnet. Das Lehnwort Kloster kann nicht früher sein als die Bildung des Kreuzgangs in der monastischen Gesamtanlage (9. Jh.)"
(Theol. Realenzyklopädie, Band 19, S. 275).

I.
Kloster ist zunächst der von der Außenwelt
abgesonderte Bau für eine religiöse Gemeinschaft

Amelungsborn - Gründung Name Stifter

Als erstes Zisterzienserkloster in Niedersachsen wurde das Kloster Amelungsborn gegründet. Stifter war Graf Siegfried IV. von Boyneburg, letzter weltlicher Spross des Northeimer Grafengeschlechts. Er stellte aus seinem Besitz den Platz für das Kloster und den Grund und Boden für die erste Besitzausstattung zur Verfügung. Die "villa Amelungsbom", die ihren Namen nach der im Klosterareal noch heute nachweisbaren Quelle, dem "Born" des Amelung trägt, gehörte zu den Erbgütern des Fürstengeschlechts.
Des Stifters Handeln lag im Trend der Zeit: die neue Spiritualität der Zisterzienser, vielleicht aber auch ihre Einsatzbereitschaft beim Landesausbau übten eine starke Anziehungskraft auf den Territorialherrn aus. Ich unterstelle aber auch, dass es für Siegfried auch persönliche Beweggründe für die Stiftung gegeben hat: Mehrung des Gotteslobs, Hoffnung auf ewigen Lohn.

Die Klosterkirche

Im Zentrum der Klosteranlagen der Zisterzienser steht die Kirche, das Oratorium, das Bethaus. In Kreuzform und im Zeichen des Kreuzes, wurden ihre Kirchen errichtet. Sie zeichneten gleichsam den Grundriss - das Kreuz - in und auf den Boden. Es wurde als Heilszeichen eingegraben in die Erde, in die neue Heimat, hier am "Born des Amelung" - fonts amelungi - wo man Wurzeln schlagen und verwurzeln wollte.

Suche nach Gott

Ein deutlicher Hinweis auf den, dem alles gehört: Boden und Gebäude. Hier ist  ER   HERR  im Hause. Und in diesem Hause waren alle erfüllt von dem Wunsch nach der eigenen Erfahrung ihrer Beziehung zu Gott, die natürlich, warm, persönlich und innig war.
Wenn ich ein unverwechselbares Wesensmerkmal der Zisterzienser in diesem Zusammenhang nennen soll, das mich immer wieder beschäftigt, so ist es die intensive, ja glühende GOTT-Suche, diese tiefe Sehnsucht, das sich Hinstrecken zu dem, der das Haupt ist:  CHristus.
Dafür wurde ein neues Haus aus Stein errichtet.  N e u  im biblischen Sinn bedeutet: der neue Mensch, der neue Weg, das neue Leben, das neue Lied - heißt: Umdenken, Sichloslösen vom Alten, Müden, Verbrauchten, Lau- und Schalgewordenen, Pervertierten, hin zum Jungen, Lebendigen, Reinen, das orientiert ist am Ursprung, an der Schöpferabsicht Gottes mit dem Menschen. Deshalb galt ihr Streben einem Leben, das ganz und gar ausgerichtet war nach den P1änen Gottes.
Diese Spiritualität beschäftigt uns auch heute in Amelungsborn, die Frage nach einem Leben, das ganz und gar ausgerichtet ist nach den P1änen Gottes.

Gottesdienst und Kirchenraum

H e r z - Stück des evangelischen Zisterzienserklosters Amelungsbom ist der GOTTESDIENST! In der klösterlichen Familie ebenso wie im Leben der Kirchengemeinde St. Marien. "Dem Gottesdienst ist nichts vorzuziehen.“ (Regula 43,3)  Darum feiern wir hier in dieser Kirche. Sie hat nie ausgedient!
Ich muss Ihnen jetzt einfach etwas über meine Kirche sagen: Ich erinnere mich noch gut, dass ich, als ich zum ersten Mal die Klosterkirche betrat, von  dem  geheimnisvollen  Halbdunkel  im romanischen Langhaus fasziniert war. Ich habe den Raum lange auf mich wirken,  ja einwirken lassen  und  aus  dem Halbdunkel auf den lichtumfluteten, herrlichen Chor geschaut. Das Nebeneinander, der Übergang von romanischem Westteil und gotischem Chor ist zutiefst beeindruckend.
Dieser Raum gibt einen Eindruck von dem, was der Apostel Paulus meint, wenn er schreibt: "Wir bleiben im dunklen Schatten, solange wir im Glauben unterwegs und noch nicht zum Schauen gelangt sind.“ (Röm. 1, 17)  Ich bin davon überzeugt, dass unsere zisterziensischen Väter dies gewusst haben, weshalb übrigens Bernardin Schellenberger ihren früheren Bauten bescheinigt, "sozusagen auf die Erdoberfläche gehobene Krypten" zu sein.
 Das Stützensystem der Arkaden bilden je vier Pfeiler und vier Säulen im Norden und im Süden. Diese Stützen erscheinen mir im Raum immer wieder besonders eindrucksvoll als die "steinernen Begleiter" unserer feierlichen Prozessionen zum Altar Gottes.

Amelungsborn -"Tochter" von Altencamp

Dieses Bethaus hat nie ausgedient. 1135 erfolgte der feierliche Einzug des Konvents aus Altencamp. Die wesentlichen Teile von Kloster und Kirche waren also bereits fertig gestellt.
Aus der ersten Bauperiode während des 12. Jahrhunderts stammen das flach gedeckte basikale Langhaus und Teile des Querhauses. In ihren Anfängen war es natürlich reine Mönchskirche. Hier auf der Höhe der Kanzel befand sich der Lettner.
Meine Kirche hat sich geöffnet. Seit der Reformation empfängt dieses Bethaus viele Menschen von nah und fern zu Tageszeitengebeten und Gottesdiensten, zu Konzerten und Vorträgen. Es lässt alle ein und entlässt sie im Frieden der vergebenen Schuld und der empfangenen Liebe. Es steht dem Einsamen offen und schweigt, damit GOTT sprechen kann.

Die Stundengebete - früher und heute

Die Horenglocke, die die klösterliche Familie zu den Tageszeitengebeten ruft, erinnert an das Kommen des HERRN. In dieser Erwartung beten wir an, loben und preisen, sagen Dank, üben Fürbitte. Entsprechend dem Wort des Propheten: „Siebenmal am Tage singe ich dein Lob“ wurde hier der Dienst gefeiert in Laudes, Prim, Terz, Sext, Non, Vesper und Complet.
Unsere Amelungsborner Väter standen hier im Hohem Chor nicht zu einer Generalprobe, nicht um liturgische Studien zu betreiben oder um sich vor der Arbeit zu drücken, sondern um Gottesdienst zu feiern. Im ununterbrochenen Lobpreis. Um von daher ihr Leben zu ordnen. Und es gibt kein besseres Mittel zu immerwährendem Lob als die Gebetszeiten über den Tag zu verteilen.
Wir tun dies heute in einer Form und zu Zeiten, die unserem Lebensrhythmus angepasst sind, aber wir begreifen die Stundengebete weiterhin als Mitte und Zentrum unserer Zusammenkünfte. Wenn wir zu Mette und Mittagsgebet, zu Vesper und Complet zu GOTT zurückkehren zum Beispiel von der Bibelarbeit, einem Vortrag, dem Essen oder vom Schlaf, dann bedeutet dies für uns: SEINE  Führung anzunehmen, mit unserem ja auf sein großes, uneingeschränktes
JA zu uns zu antworten und uns für ihn bereitzuhalten.
Wir schätzen die Gottesdienste als Gottes Dienst an uns, als SEinen Zuspruch und SEine Gabe, denn Gott schenkt uns Zeit für den Gottesdienst und lädt uns durch den Gottesdienst in die Zeit SEines Heils ein.

Reformation in Amelungsborn

Als unser Kloster am Laurentiustage 1568 (10. August) das Augsburgische Bekenntnis annimmt, wird größter Wert dem Cultus divinus beigelegt, der an Sonn- und Werktagen in Gegenwart der Gemeinde gehalten werden soll. Dass nur Ordinarii "predigen, Beichte hören und Sacramente administrieren", versteht sich. Der tägliche Gottesdienst ist "iuxta vetustum morem et ritum, precibus et laudibus Deo dicendis - mit Singen, Lesen, Loben und Beten" zu halten. So sollte auch fürderhin in der Klosterkirche das Gotteslob erklingen.
Bis zur Auflösung der Klosterschule 1760 prägten die Horen, die viermal täglichen Gottesdienste, das Leben im Kloster.
Klosterleben
in neuerer Zeit
Am 22. Oktober 1960 wurde die vakante Prälatur Amelungsborn wiederbesetzt und Christhard Mahrenholz als 55. Abt dieses Klosters eingeführt. Es gehört zu den wunderbaren Fügungen, dass das Kloster einen Vorsteher erhielt, der dafür lebte, "dass der HERR in seinem Heiligtum gepriesen werde". Die "schönen Gottesdienste des HERRN" waren für ihn gelebtes Leben; der Gottesdienst bekam für Christhard Mahrenholz vom Dienst auf der Orgelbank und am Chorpult, auf der Kanzel und am Altar sowie am Katheder deutliche Impulse. Der Gemeinde zu helfen, CHristus singend zu loben, dafür engagierte er sich im zisterziensischen Sinne - nicht nur als Abt dieses Klosters.
So wirkten auch seine  Nachfolger, so wirkt unser jetziger Abt.
Die Kirche von Amelungsborn dient also bis heute Gottesdienst und Gebet, woraus uns Freude erwächst: "Ich will dich preisen mein Leben lang, ...  ja,  du bist mir zur Hilfe geworden,  im Schatten deiner F1ügel darf ich fröhlich sein. Meine Seele hängt an dir, deine rechte Hand hält mich fest.“ (aus Psalm 63)  Mit der Aufgabe des Chorgebets gäbe  die klösterliche Familie sich selbst und ihre Existenzberechtigung auf!

II.
Kloster ist dann auch die religiöse Gemeinschaft selber mit ihrer Geschichte, ihrer inneren Struktur und äußeren Tätigkeit, ihrem wirtschaftlichen Besitz und ihrer politischen Herrschaft

Die Geschichte unseres Klosters während des Mittelalters lässt sich in drei Zeitabschnitte unterteilen:

  • in eine Phase des Aufbaus und der Expansion während des 12., 13. und der ersten Hälfte des 14. Jhs.,
  • in einen Abschnitt der Konsolidierung während der 2. Hälfte des 14. Jhs. und
  • in eine Zeit der Stagnation im 15. und beginnenden 16. Jh..

Der Aufschwung hatte zu Beginn des 14. Jhs. einen Höhepunkt erreicht: 50 Mönche, 90 Konversen und eine nicht genau zu beziffernde Zahl von "familiares" gehörten dem Kloster an.
Scriptorium und Infirmaria genießen einen vorzüglichen Ruf.

Klosterschule Amelungsborn

Amelungsborn wurde nicht aufgehoben, als Abt und Konvent das Augsburgische Bekenntnis annahmen. Der Konvent wurde auf fünf Mitglieder beschränkt und nahm zwölf Zöglinge in die neu gegründete Schule auf. Die für eine Pastorenlaufbahn bestimmten Schüler erhielten hier ihre Vorbereitung auf das Theologiestudium. 1655 erließ der Herzog eine neue Klosterordnung und bestellte den in Holzminden neu eingesetzten Generalsuperintendenten zum Abt des Klosters. 1760 wurde die Klosterschule nach Holzminden verlegt und mit der dortigen Stadtschule vereinigt. Wir pflegen heute die Beziehungen zum Campe-Gymnasium in Holzminden.

Das Abtsamt

Bis mindestens 1801 trafen sich Abt und Konvent halbjährlich. Um 1810 endet jeder korporative Zusammenhalt, doch das Amt des Abtes blieb auch im 19. Jh. weiter bestehen. Das Abtsamt lebte künftig fort als Ehrentitel für hohe braunschweigsche Geistlichkeit, als 1875 die schulischen Aufgaben des Klosters durch die Verstaatlichung der Schule endete.
Die Trennung von Kirche und Staat nach dem 1. Weltkrieg beendete die Funktion des Landesherrn als SUMMEPISCOPUS. Aber der Fürst hatte sich in der Klosterordnung von 1655 die Ernennung der Äbte vorbehalten. Eine Neuregelung der Abtswahl und der Zuständigkeit für das Klosterwesen fand jedoch 1918 nicht statt, die Zuständigkeit blieb ungeklärt.
Durch den Gebietsausgleich vom 1.8.1941 gelangte der Kreis Holzminden zur Provinz Hannover und kirchlich an die Landeskirche Hannover. Der Kirchensenat der Landeskirche trat in die Rechte des früheren Landesherrn ein und wurde dadurch zuständig für Kloster Amelungsborn.
Neue Möglichkeiten brachte der  "Loccumer Vertrag", ein Staatsvertrag zwischen dem Land Niedersachsen und den fünf Landeskirchen. Die zuständigen kirchlichen Behörden konnten nun die "Prälaturen Amelungsborn, Königslutter, Marienthal und Riddagshausen" ohne staatliche Mitwirkung regeln.

Landeskirche und Kloster

Die Verfassung der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers vom 11.2.1965 sagt: "Das Kloster Amelungsborn ist eine geistliche Körperschaft in der Landeskirche, die landeskirchliche Aufgaben zu erfüllen hat. Es besteht aus dem Abt und den Konventualen. Die Oberaufsicht über das Kloster führt der Kirchensenat; er erlässt die Klosterverfassung und bestimmt im Einverständnis mit dem Landessynodalausschuss die landeskirchlichen Aufgaben des Klosters. Der Abt wird nach Anhörung des Konvents vom Kirchensenat ernannt."
Wir sind also eine "geistliche Körperschaft“, die landeskirchliche Aufgaben zu erfüllen hat.
Die Geschichte unseres Klosters, unserer Kirche, umfasst auch ihre jahrhundertealte Tradition v o r  der Reformation. Das Zisterzienserkloster Amelungsborn hat durch die Übernahme neuer Aufgaben seine Lebenskraft unter Beweis gestellt. Als stiller Ort der Gottesbegegnung und Gotteserfahrung.

Abt, Konvent, Familiaritas, Kapitel, Gäste

Unsere Arbeit vollzieht sich in mehreren Kreisen wechselseitiger Kommunikation: Der Klosterkonvent um den Abt des Klosters als tragender Kreis, die Leitung des Klosters als Bruderschaft, die sich zur Familiaritas öffnet.
Hören wir auf das Leitbild von Chnsthard Mahrenholz: "Die Struktur des Klosters Amelungsborn kann seiner neuen Ordnung nach mit dem Bilde einer geistlichen,  aus dem Vater und aus erwachsenen Söhnen bestehenden Familie umschrieben werden. Diese klösterliche Familie wird realisiert einmal in dem achtköpfigen Konvent, zum anderen in dem weiteren Kreise der zahlenmäßig nicht begrenzten Familiaritas, in der ein altes zisterziensisches Element wieder aufgenommen ist und die sich weit überwiegend aus Laien zusammensetzt."
Nun eben die Familiaren als nächster Kreis:  Männer evangelischen Bekenntnisses unterschiedlichster Berufe, wieder nach außen hin offen und ausstrahlend, die sich dem Kloster als Mittelpunkt ihrer Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe in besonderer Weise dauernd verpflichtet wissen.
Ein weiterer Kreis ist das Kloster-Kapitel, in dem neben der klösterlichen Familie, Pfarrern der Patronatsgemeinden Freunde, Gönner, Stifter, Wohltäter des Klosters einmal im Jahr unter geistlicher Leitung des Abtes im Kloster den Kapiteltag feiern und  Abt und Konvent beraten.
Als weitester Kreis sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Rüstzeiten und Einkehrtage, die hier abgehalten werden, zu nennen.
Chnsthard Mahrenholz hat es noch deutlicher formuliert, worum es ihm im Blick auf das geistliche Leben im Kloster ging:  "Im gesunden Wechsel von Spannung und Entspannung soll die Einübung und das Hineinwachsen in die klösterliche Familie erfolgen und damit der nicht wegzuleugnenden Tatsache Rechnung getragen werden, dass die nicht mehr vom natürlichen Rhythmus des häuslichen Familienlebens getragenen, sondern von den pluralistischen Gewalten des
heutigen Daseins bestimmten Regelungen des Arbeitsortes und der
Arbeitszeit zu einer weitgehenden Destruktion der Familie als einer geistlichen,  mit allen  Gliedem  gemeinsam  unter  dem Evangelium
stehenden Gemeinschaft geführt haben."

Heutige Verpflichtung

Bei ihrer Einführung haben sich die Glieder der klösterlichen Familie verpflichtet:

  • täglich ein Wort der heiligen Schrift zu bedenken,
  • Gott im Gebet zu danken und ihn um Führung durch den Tag zu bitten,
  • die den Christen aufgetragene Fürbitte füreinander und für die Kirche und Welt zu üben,
  • der Kirche durch ihre Berufserfahrung zur Verfügung zu stehen,

besonders bei Tagungen von kirchlichen und außerkirchlichen Gruppen im Kloster selbst.

Die Familiaritas

Die Familiaritas - wir sind im wahrsten Sinne des Wortes einmalig in der evangelischen Kirche - ist dem Abt "als dem geistlichen Vater des Klosters zugeordnet", wie es in der Klosterordnung heißt und dem Konvent brüderlich verbunden. Sie nimmt unter der geistlichen Leitung eines vom Abt mit dem Rat des Konventes bestellten Konventualen als 'Spiritual' am klösterlichen Leben und an der Erfüllung der Aufgaben des Klosters  teil.  Sie  ist  finanziell  autonom  und  gestaltet  ihre Angelegenheiten durch Ältestenkreis und Senior.
Mit dem 4. Abt, dem 4. Spiritual und 3. Senior leben wir hier an diesem Ort und erfüllen unsere Aufgabe  mit  großer  Freude:  Gottesdienst,  Gebet,  brüderliche Gemeinschaft.
Bei unseren Tagungen geht es nicht nur um uns, um unsere Seele - darum geht es natürlich auch - sondern wir sehen in unserem Gebet wohl unsere wichtigste Aufgabe an der Welt: wir nehmen die Welt, die Menschen, die Ereignisse in unser Gebet hinein und tragen sie immer wieder vor Gott. Wir bitten ihn, die Welt, die Menschen und die Ereignisse mit seinen heilenden und segnenden Kräften zu durchdringen. Für diese Aufgabe möchten wir am liebsten immer hier sein. Ein Traum!

Oekumenischer Frauenkreis

Den träumen wir, so vermute ich, wohl nicht allein: Seit zwanzig Jahren trifft sich in unserem alten "Mannskloster" regelmäßig der oekumenische Frauenkreis. Er erfüllt seine Aufgabe ebenfalls mit großer Freude in Gottesdienst, Gebet und Gemeinschaft.

Söhnetagung - Gästetagungen - Kapiteltag

Auftakt der meist elf Tagungen im Jahr, in denen wir jeweils einen Aspekt unseres selbst gewählten Jahresthema bearbeiten, ist die Söhnetagung. In lebhaften, auch kontrovers geführten Gesprächen lernen wir viel voneinander.
Zwei Tagungen im Jahr erleben wir außer dem Kapiteltag zusammen mit dem Konvent. Konvent und Familiaritas laden im Frühjahr und zum Ende des Kirchenjahres Gäste ein. Unser Gästemeister führt eine lange Liste, das Interesse ist erfreulich groß. In vielen Fällen wurden aus Gästen Novizen und dann Familiare.

Aus der Arbeit

Das Kloster ist ein sehr geeigneter Ort, an dem sich die Positionierung mündiger Christen und Nichtchristen in Fragen von Religion, Glaube und Kirche vollziehen kann und soll. Beispiel dafür sind die jährlich von der Familiaritas mit großem Engagement durchgeführten Zielgruppentagungen. Wir haben Zeit und Ruhe für Begegnungen mit Fachleuten, mit Engagierten und Distanzierten; wir können uns unseren Gästen zuwenden.
Lehrer, Polizeibeamte, Ärzte, Bankleute, Journalisten und Juristen haben wir eingeladen. In diesem Jahre freuen wir uns auf Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, deren Arbeit wir kennen lernen und deren Sorgen wir teilen möchten. Unsere Erfahrung zeigt uns, dass im Kloster offener, freier und fruchtbarer über sensible Themen gesprochen werden kann als dies sonst möglich ist.
Hier ist auch das Bemühen von Abt und Konvent zu erwähnen, jungen Theologen, für die es in der Landeskirche keine Stellen gibt, ein Auseinandersetzungsforum zu bieten?
Ich nenne den Dienst des Konventes an den Kirchenvorstehern und Kirchenvorsteherinnen der Patronatsgemeinden und die Gesprächsangebote an Politikerinnen und Politiker im Landkreis Holzminden.

Ökumene und andere Verbindungen

Die klösterliche Gemeinschaft pflegt die Kontakte in die Oekumene. Der
frühere Generalabt der Zisterzienser betonte seine Zuneigung zu uns
durch Besuche und die Teilnahme an den Feierlichkeiten zu unserem
850jährigen Jubiläum.
Unser  Abt  war  zum  900jährigen Zisterzienserjubiläum nach Citeaux eingeladen,  Gegeneinladungen  wurden  ausgesprochen.
Besonders herzlich und intensiv ist unsere Verbundenheit mit dem Konvent und der Münsterfamilie  zu  Doberan.  Diese gestalten ihr geistliches Leben in unserem schönen Tochterkloster seit dem 1. Mai 1995  nach eigenen Intentionen und Formen.  Neben Freundschaften, die entstanden sind, ist die Gemeinschaft des Stundengebetes wesentlich.

Kirchenpädagogik

Ich sagte im ersten Teil dass sich  meine Klosterkirche geöffnet habe. Eine junge Frucht des Wirkens des Konventes ist die Öffnung für Schüler und Schülerinnen der Region. Diese erfahren, erleben und bestaunen im Rahmen von phantasievoller Klosterpädagogik diesen Ort, unsere Klosterkirche und die zugehörigen Anlagen.
Das evangelische Zisterzienserkloster Amelungsborn ist ein Ort der Gottesbegegnung und Gotteserfahrung. Wir werden  I H N  weiter bezeugen. Dabei stehen wir auf dem Fundament des Gestern, der einen Kirche, unserer Mütter und Väter im Glauben, gegründet auf den einen HErrn. Wir sind bereit, im Heute zu hören, auf ihn und seinen Ruf, auf ihn, dem Zeit und Ewigkeit gehören. Das Gestern, das Heute und das Morgen - nicht nur die Zeit - auch wir gehören ihm. Dieser Glaube, diese Zuversicht tröstet, lässt uns hoffen und froh sein!

© Berthold Ostermann, 1999

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