Die Graue französische Renette

Neben Kräuter- und Gemüsegärten dienten Obstgärten der Selbstversorgung der mittelalterlichen Klöster mit Nahrungs- und Arzneimitteln. Im weit verzweigten Filiationssystem des sich schnell ausbreitenden Zisterzienserordens gelangten Pflanzen und Reiser nicht nur in die Umgebung ihrer Niederlassungen, sondern im Laufe der Jahrhunderte in weite Teile des Kontinents.

Die Graue französische Renette ist eine der wenigen älteren Obstsorten, deren Weg sich von der Entstehung bis in unsere Tage verfolgen lässt: von ihrem Ursprung in den Zisterzienserplantagen der burgundischen Primarabtei Morimond, von dort über das Amelungsborner Mutterkloster Kamp und dessen Tochter Walkenried in die thüringische Zisterze Pforta (deren dortigem Klosterhof Borsendorf sie auch die Bezeichnung Borsdorfer Apfel verdankt), von dort nach Leubus und weiter in den Osten.
Die Frucht der Grauen französischen Renette ist groß, rund, etwas platt; eine raue, braungräuliche Schale mit hellgrünlichem Grund weist verstreut helle grünliche Flecken oder breite Streifen auf. Ihr grünliches Fleisch schmeckt in guten Jahren angenehm mild.

Zu den wichtigsten frühen Verbreitungsgebieten der französischen Stammsorte, auf die geographische und kennzeichnende Namensattribute hinweisen, gehörten Deutschland und England, was mit den Hauptfiliationssträngen des Ordens korreliert. Weiterverbreitung und -züchtungen erklären den auffällig hohen Anteil an Renetten unter den neueren Apfelsorten. Im 19. Jahrhundert noch häufig, sind Graue Renetten wie die meisten historischen Obstsorten seit vielen Jahren zugunsten moderner Hochleistungsarten aufgegeben.

Im südöstlichen Winkel des 1999 rekonstruierten Amelungsborner Klostergartens verdient seit April 2000 ein Halbstamm der Grauen franz. Renette als Repräsentant der herausragenden Gartenkultur der mittelalterlichen Zisterzienserklöster und Apfelstammsorte von europäischem Rang besondere Beachtung. Für das Amelungsborner Exemplar konnten Reiser eines in der westlichen Altmark überdauerten Baumes erworben und in einer hiesigen Baumschule erfolgreich gepfropft werden.

H.W. Göhmann, 2000

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