Abtsbericht 2006

Abtsbericht für den Kapiteltag 2006
des Klosters Amelungsborn

Liebe Schwestern und Brüder,

ein Berliner Junge aus der Kategorie Drei-Käse-Hoch spricht auf der Straße eine vornehme Dame an und fragt: „Wo jeht’s denn hier nach’n neu’n Lehrter Bahnhof?“ Die Dame mustert den Knaben kritisch von oben bis unten und sagt: „Pass mal auf mein Junge. Du nimmst zuerst die Hände aus den Taschen, putzt dir die Nase, kämmst dich und sagst dann: Entschuldigen Sie bitte, könnten Sie mir wohl sagen, wie ich zum neuen Lehrter Bahnhof gelange? Hast du das verstanden?“ Darauf sagt der Junge: „Ja, aber det is ma zu kompliziert, da verloof ick mia lieba.“

Manchmal denke ich, dass diese kleine Geschichte das Empfinden von Gottsuchenden ganz gut beschreibt. Das ist mir zu kompliziert, da verlaufe ich mich lieber. Nüchtern betrachtet wird man Paulus zustimmen:  Die ernsthafte Frage nach Gott ist nicht jedermanns Ding (2. Thess. 3,2b). Sie ist anstrengend. Spiritualität als menschliche Begabung, die eigene Weltwahrnehmung zu relativieren und zu transzendieren, will geübt und gepflegt sein. Im Evangelischen Erwachsenenkatechismus, dessen 6. Auflage ich mit bearbeiten durfte, haben wir die Notwendigkeit zur Pflege der eigenen Spiritualität mit einer musischen oder einer sportlichen Begabung verglichen, die verkümmert, wenn man sie nicht kontinuierlich anwendet.

Alle Prognosen in Richtung Wiederbelebung der Spiritualität stehen unter dem Vorbehalt, dass die Indikatoren variabel und nicht eindeutig sind und dass man, wie in den jüngsten ZEITZEICHEN geschrieben, Medienpräsenz der Evangelischen Kirche nicht schon gleich mit Wachstum des Glaubens verwechseln darf.

Was hat das mit dem geistlichen Leben in Amelungsborn zu tun?

Ich zitiere einmal aus der Hannoverschen Kirchenverfassung den Artikel 113, Abs. 1: „Das Kloster Amelungsborn ist eine geistliche Körperschaft in der Landeskirche, die landeskirchliche Aufgaben zu erfüllen hat. Es besteht aus dem Abt und den Konventualen. Die Oberaufsicht über das Kloster führt der Kirchensenat; er erlässt die Klosterverfassung und bestimmt im Einvernehmen mit dem Landessynodalausschuss die landeskirchlichen Aufgaben des Klosters.“

Damit ist das entscheidende Stichwort gegeben. Das Kloster nimmt eine geistliche Aufgabe wahr. Das ist herausfordernd und entlastend zugleich. Herausfordernd, weil sich seine Leistung nicht in üblichen Erfolgskategorien abbilden lässt, entlastend, weil es sich auch nicht allein gängigen Nützlichkeitserwägungen unterwerfen muss. Ich lese uns noch einmal den Bibeltext, unter dem diese Pfingstwoche steht aus dem 1. Korintherbrief 2,12-16:

Wir aber haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, dass wir wissen können, was uns von Gott geschenkt ist.

Und davon reden wir auch nicht mit Worten, wie sie menschliche Weisheit lehren kann, sondern mit Worten, die der Geist lehrt, und deuten geistliche Dinge für geistliche Menschen.

Der natürliche Mensch aber vernimmt nichts vom Geist Gottes; es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen; denn es muss geistlich beurteilt werden.

Der geistliche Mensch aber beurteilt alles und wird doch selber von niemandem beurteilt.

Denn »wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer will ihn unterweisen«? (Jesaja 40,13) Wir aber haben Christi Sinn.

Was Paulus hier an die Gemeinde in Korinth schreibt, ist ein Konzentrat, eine Meditation über den Geist Gottes und sein Wirken bei und in uns Menschen, über Spiritualität. Es ist jetzt nicht der Ort und die Zeit, diesen Text auszulegen, dieses Konzentrat in eine verzehrfähige Form zu bringen und schon gar nicht, es zu verwässern. Deshalb will ich seine theologische Substanz in nur wenigen Strichen nachzeichnen: Christlicher Glaube, sagt Paulus, vermittelt sich nicht gleichsam automatisch. Mit anderen Worten: Man kommt allein nicht drauf. Er muss jedem Menschen neu geschenkt, gesagt, weitergegeben oder mitgeteilt werden in Wort und Tat. Er ist uns zwar schon geschenkt in der Taufe, aber er will hörbar und sichtbar gemacht werden.

Geistlich zu leben heißt, alles, aber auch wirklich alles, was uns und anderen Menschen begegnet, auf den dreieinigen Gott zu beziehen. Alles, aber auch wirklich alles, was uns und anderen begegnet, unter der Prämisse zu sehen, dass der Heilige Geist Gottes Zukunftswille ist, seine Schöpfung zu erhalten, eine Christusbeziehung zu ermöglichen, an seinem Werk beteiligt zu sein, das ganze Leben der ganzen Welt zu heiligen. Ob alle, die nach einer eigenen Spiritualität suchen, sich dieser Dimension bewusst sind?

Wir suchen in Amelungsborn nicht nach einer individuellen Spiritualität. Wir versuchen, unsere Spiritualität mit der Spiritualität der Kirche zu synchronisieren, ihr ihren eigenen Platz zukommen zu lassen. Fokus ist also nicht die Individualität der Spiritualität, sondern ihre Gemeinschaftsverträglichkeit. Das stellvertretende Gebet hat die Kirche Jesu Christi zum Objekt, nicht sich selbst. Das muss man wissen, wenn man hierher kommt. Daran orientiert sich unser spirituelles Angebot, die Tagzeitengebete, der Austausch über theologische Fragen der Gegenwart und Zukunft im Kloster auf Zeit, der tiefe Respekt vor der Liturgie und die Hochachtung dessen, was unsere Vorgängerinnen und Vorgänger geglaubt und gelebt haben. Es geht uns hier nicht um eine exorbitante Ästhetik der Spiritualität, die nur hier und nur in dieser Form hier zu finden ist. Da sind wir sehr bescheiden. Exklusivität ist nicht unser Ding. Wir wollen viele zu uns einladen und immer mehr werden. Gleichwohl sind wir nicht so vermessen anzunehmen, dass die Amelungsborner Spiritualität Massen begeistern könnte.

Dass in unserer Kirche Glaube wurzelt und wächst, dass in unserer Gemeinschaft Glaube wachsen und Menschen halten kann, ist Gottes Geschenk, nicht unsere Leistung. Wenn man den Geschenkcharakter des Heiligen Geistes ernst nimmt, dann muss man davon positiv sprechen, denn Erkennungsmerkmal des Heiligen Geistes ist Freude, Bewegung, Aufbruch – und nicht Lähmung, Starre oder Selbstmitleid. Paulus schreibt: „Wir haben nicht empfangen den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott, damit wir wissen können, was uns von Gott geschenkt worden ist.“ Ich will das in einigen wenigen Abschnitten in meinem diesjährigen Abtsbericht aufnehmen und positiv deuten.

Der Heilige Geist lehrt uns, geistliche Dinge für geistliche Menschen zu deuten. Lasst uns dankbar sein für unseren Glauben. Und lasst ihn uns nicht verstecken, sondern teilen – und wenn er noch so klein und schwach ist. Er ist groß genug, um geteilt zu werden. Irgendwo wartet einer auf deinen Glauben, deine Hoffnung, deine Erfahrung, deine Kraft, mit Schwierigkeiten fertig zu werden, deine Begabung, das, was Augen sehen und Ohren hören, nicht schon für die einzige Möglichkeit der Weltdeutung zu halten. Die Amelungsborner Spiritualität ist in ihrem Grundzug vielmehr bescheiden und demütig als exklusiv oder eitel. Wir können für manches dankbar sein, auch dafür, dass wir hier spirituell begabte Menschen sind und dass eine verbindlich gelebte christliche Spiritualität auch in unserer Kirche längst nicht mehr unter Generalverdacht steht, Wagenburg weltflüchtiger „Superfrommer“ zu sein. Wir erinnern uns dankbar an den Besuch von Bischof Prof. Dr. Zippert, der von dieser Öffnung, die alle Gliedkirchen der EKD erkannt haben und praktizieren, lebhaft berichtet hat. Wir sollen Glauben teilen, so unterschiedlich er sein mag, der Heilige Geist wird schon Spreu von Weizen trennen, das können wir getrost ihm überlassen.

Was bedeutet für uns nun trinitarische Spiritualität? Generell gilt: Spiritualität versucht, subjektiven Glauben und intersubjektiv vermittelbare Theologie in ein anregendes Gespräch zu vermitteln. Für beide, den subjektiv Glaubenden und den intersubjektiv Theologietransportierenden, ist die Wahrheitsfrage entschieden. Spiritualität ist also der Versuch, in seriöser Weise die eigene Frömmigkeit und allgemein zugängliche plausible theologische Einsichten unter Achtung der biblischen und bekenntnisorientierten Traditionen in einen konstruktiven Dialog zu führen. Lasst uns also dankbar dafür sein, dass der Vater als Schöpfer im Regiment sitzt und seine Welt erhält, seine Schöpfung erneuern und uns daran beteiligen will.

Rückzug ins Kloster auf Zeit bedeutet nicht Weltverleugnung. Das dürfen wir noch nicht einmal wollen. Weil Gott seiner Schöpfung treu ist, haben wir keinen Anlass, uns aus ihr zurückzuziehen, auch wenn wir unter ihr leiden, weil unsere Lebenskraft abnimmt, sich Krankheiten einstellen oder weil Menschen von Erdbeben oder Vulkanen dahingerafft oder bedroht sind. Der Heilige Geist lehrt uns Weltbejahung und Schöpfungsrespekt. Nur wer die Erde als Gottes Schöpfung sieht und achtet, hat einen wirksamen Schutz davor, sie zu vergöttern oder auszubeuten. Unser Schöpfungsrespekt als Christen geht sehr weit. Wir sind traurig, dass unser Bruder Reinhart Müller gestorben ist. Gleichwohl zerbrechen wir nicht daran, sondern achten im höheren Interesse diese Schöpfungsordnung. Wir können dankbar dafür sein, dass unser Glaube sich eben nicht extraterrestrisch darstellt, sondern sich hier und jetzt und morgen ereignen soll und unsere Phantasie lenkt, die Güter des endlichen Lebens verantwortlich zu teilen.

Lasst uns auch dankbar dafür sein, dass Gott in Jesus Christus Menschen geworden ist, dass Vater und Sohn wiedervereint sind und dass wir die Unsichtbarkeit Gottes als Zeichen seiner Anwesenheit verstehen können. Lasst uns untereinander und mit unseren Gästen Glauben teilen und weitergeben. Jenen Glauben, dass Gott selbst sich mit uns ausgesöhnt hat, die Sünde hasst und zugleich den Sünder liebt. Schon im Prolog der Benediktsregel heißt es: „38. Denn in seiner Güte sagt der Herr: "Ich will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er umkehrt und lebt."

Das Kreuz ist uns zum Zeichen des Lebens geworden, dass Gott in Christus die tiefste Not mit uns teilt und es in unserem Leben keinen christusfreien Raum gibt, selbst in unserem Grab nicht. Lasst uns dankbar sein und gut davon sprechen, dass wir gemeinsam von und mit Christus wissen, wie ernst es Gott mit seiner Menschenliebe ist und mit Versöhnung und Respekt, aber auch mit der Freiheit des Menschen zur eigenen Verantwortung. Und lasst uns dankbar dafür sein, dass Christus uns zu den Schwachen gewiesen hat und wir wissen können, an wessen Seite wir zu finden sein sollen: Bei den Armen und Kranken und Verwirrten und Ratlosen und Traurigen und Gefangenen und Perspektivlosen und von Gewalt Bedrohten und Unruhigen und Renitenten. Wir sind Geschwister. Es ist anstrengend, ein Gewissen zu haben, aber es ist bestimmt viel anstrengender, kein Wissen zu haben, wem man helfen kann.

Positiv sprechen, das war mein Ansatz, insofern: Lasst uns dankbar sein für unsere Kirche. Sie ist das Werk des Heiligen Geistes. Ich weiß, dass man Liebe auch zu unserer Kirche nicht befehlen kann. Mir fallen auch ganz viele Vorbehalte gegen unsere Kirche ein. Vieles muss verändert und verbessert werden, aber die notwenige Kritik muss in einem diskursfähigen Rahmen und einer Sprache stattfinden, die Achtung erkennen lässt. Wir werden in einer Zeit, in der die neben den beiden Kirchen größte Gruppe unserer Gesellschaft von den Konfessionslosen gebildet wird, nicht attraktiv durch Selbstabwertung und ätzende Kritik. Ich weiß es wohl zu schätzen, dass Selbstkritik zum Protestantismus gehört wie das Amen in der Kirche und dass wir Lutheraner querulatorisch begabt sind, sozusagen ein wissenschaftlich längst noch nicht nachgewiesenes aber täglich zu spürendes zusätzliches Luther-Gen haben. Dem Heiligen Geist macht das nicht immer Ehre. Wir dürfen nicht so tun, als sei der Heilige Geist nur in den schnell wachsenden Kirchen in Übersee am Werk. Ich kenne alle Einwände gegen unsere Kirche und zwar auswendig. Aber ich habe sie trotzdem lieb: Die Kirche in der Welt, die Gott heilig ist. Lasst uns Kirche und Frömmigkeit und Spiritualität teilen und für die freien Plätze werben.

Ich weiß auch, dass wir zurzeit viel zu viel mit uns selbst beschäftigt sind. Der Rückweg aus finanziell saturierten Zeiten ist mühsam. Viele Ehrenamtliche in unseren Gemeinden haben vom ständigen Strukturieren die Nase gestrichen voll, aber: Ist das in einem weiteren historischen Kontext je anders gewesen? Keine Generation war so privilegiert, sich ihre Sorgen selbst aussuchen zu dürfen. Wir auch nicht.

Uns ist vom Heiligen Geist Glaube geschenkt worden. Ein starker Glaube. Es ist kein Enthusiasmus. Enthusiasmus ist enorm anstrengend. Er macht nicht zuerst attraktiv, sondern zuerst mal heiser oder aggressiv oder trunken. Das werden die Fußballfans in den WM-Stadien wie gestern Abend als erste erfahren. Keiner kann und keiner muss dauernd jubeln, da dürfen wir uns auch von den Pfingstbildern der Apostelgeschichte nicht entmutigen lassen. Aber unser Halleluja wollen wir wohl singen. Auch dann, wenn es die Ordnung vorsieht – uns aber eigentlich nicht danach zumute ist. Lasst uns Gott für unseren Glauben danken, den er uns schenkt, für alle die sich zur Mitarbeit in unserem Kloster bereit finden und die auch immer gegen Selbstentmutigung anglauben, lasst uns dankbar sein für die Klostergemeinden und alle, die sich darin engagieren und die sich durch die Delegationsspirale nicht entmutigen lassen.

Damit komme ich zu einem zweiten Teil, der in diesem Jahr sehr handfest ausfällt.

Ich möchte mich sehr herzlich bei allen bedanken, die unser Kloster am Leben erhalten. Mein Dank gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ob sie nun beruflich oder ehrenamtlich für und in unserem Kloster und den Gemeinden arbeiten. Gleichwohl gilt er insbesondere den Ehrenamtlichen, im Kräutergarten, in der Familiaritas, im ökumenischen Frauenkreis, in der Kirchenpädagogik, den Brüdern, die freitags die Vesper halten. Ohne diese Bereitschaft zur Mitarbeit wäre unser Kloster tot. Hier fällt ein weiteres Strukturmerkmal von Kirche auf: Kirche sind wir nur in Aktivität. Zwar spielt unser Sakralgebäude eine besondere Rolle in der Spiritualität des Ortes, aber die Kirche allein als Sakralgebäude tut es freilich nicht. Kirche sind wir nur in gemeinsamer Aktivität. Kirche ist nicht ein literarisches Ereignis, das man durch Vervielfältigung ausbreiten könnte. Kirche sind wir nur, wenn wir gemeinsam aktiv sind und das gilt auch für vermeintlich passives Handeln: Für Hören und Schweigen und Beten und still Beisammensein und die große, große Liebe, die uns geschenkt ist und manchmal auch die Disziplin, die es braucht, immer wieder an diesen Ort zurückkehren zu wollen. Unsere Kirche ist zwar ein Faktum, weil sie von Gott gewollt ist, beziehungsfähig wird sie aber nur durch Aktivität. Insofern sprechen wir zu Recht davon, dass Kirche sich nur im gemeinsamen Hören auf Gottes Wort ereignet. Kirche ist Ereignis. Und da ist Gott sei Dank noch mancher Platz frei. Dieser Platz kann durch Teilen gefüllt werden. Gott sei Dank auch mit unserer Hilfe. Da ist noch Platz für Leute, die gut singen, beten, reden, schweigen oder zuhören können. Hier in Amelungsborn geht keine Gabe verloren. Jede und jeder wird gebraucht. Er muss sich, um im eingangs gebrauchten Bild zu bleiben, verlaufen können, aber es muss nicht so bleiben. Der Heilige Geist belebt und bringt frischen Wind in unsere Kirche.

Es hat vor einigen Wochen eine im Verwaltungskonvent im Januar beschlossene Zukunftswerkstatt im Kloster stattgefunden. Was sich dort an Kreativität und Ideen zusammentragen ließ, zeugt von außerordentlicher Vitalität unseres Klosters weit jenseits finanzieller Einschränkungen oder fehlender Dauerpräsenz. Ich nenne nur einmal die Rubriken, unter die sich die Impulse fassen ließen: Geistliches Leben, Tagungsstätte, Angebote des Klosters, Finanzen, Öffentlichkeitsarbeit. Ich schätze, es sind 80 und mehr Ideen, die teils sofort umgesetzt werden können und andere, die Vorlauf brauchen. Alle getragen von einem vitalen und ansteckenden Zukunftswillen. Ich könnte sofort 80 Stellenanzeigen aufsetzen. Aber noch ist es nicht soweit, denn eine zweite Runde mit den beruflich Mitarbeitenden soll folgen, damit auch ihre Kompetenz abgefragt und sie auf den Weg der Erneuerung mitgenommen werden.

Viele Zukunftsimpulse können wir aufnehmen und aus eigener Kraft verwirklichen. Gleichwohl plagen uns finanzielle Sorgen. Die Auslastung des Klosters als Tagungsstätte lässt erheblich zu wünschen übrig. Wir müssen alle Anstrengungen aufbringen, um weitere Gruppen zum Besuch unseres Klosters zu bewegen. Das Jahr 2006 macht uns da erhebliche Sorgen. Ich bin dankbar, dass mit Reinhard Eickes Hilfe ein Flyer entstanden ist, der neue Besuchergruppen aufschließen wird. Jede und jeder hier im Raum sollte sich später 10 Exemplare mitnehmen und an Multiplikatoren verteilen, damit das Jahr 2007 auch für die beruflich Engagierten, also jene Damen und den einen Herren, die durch das Kloster ihren Lebensunterhalt verdienen, gesichert ist.

Ich habe mir zur Vorbereitung des Abtsberichts die Klosterordnungen in unserer Gesetzessammlung noch einmal angesehen. Darin wird wie bereits in der Kirchenverfassung deutlich, dass zwischen den Klöstern Loccum und Amelungsborn in der Gesetzeslage noch einmal deutlich unterschieden wird. Das Kloster Loccum definiert sich im Wesentlichen über das dort angesiedelte Predigerseminar. Das Kloster Amelungsborn hat eine rein geistliche Aufgabe in der Hannoverschen Landeskirche wahrzunehmen, die im Einvernehmen zwischen Kirchensenat und Landessynodalausschuss festgelegt wird. In der Kirchenverfassung und in den Klosterverfassungen sind wir Amelungsborner unterrepräsentiert. Für das geistliche Leben gilt dies ausdrücklich nicht!

Ich möchte nur in einer ganz kurzen Skizze die Fremdalimentierung der drei Klöster, die ausschließlich zur Landeskirche gehören, zeichnen: Das Kloster Loccum ist mehrfach privilegiert: Es hat die Aufgabe, ein Predigerseminar zu unterhalten, verfügt über eigene Einkünfte und ist darüber hinaus durch die an das Kloster angehängten Einrichtungen wie Akademie oder Religionspädagogisches Institut zu einem für unsere Kirche besonderen Ort geworden. Das alles sollten wir dem Kloster Loccum von Herzen gönnen. Das Kloster Bursfelde ist in der Verfassung nicht in gleicher Dignität dargestellt wie Loccum und Amelungsborn, gleichwohl wird es aus landeskirchlichen Haushaltsmitteln mit zwei vollen Stellen alimentiert. Unser Kloster Amelungsborn hat eine geistliche Aufgabe. Alle Arbeit aber, die zur Erfüllung dieser geistlichen Aufgabe notwendig ist, muss ehrenamtlich geleistet werden. Alimentiert werden lediglich das Sakralgebäude in seinem Erhalt und die Mitarbeitenden, die den Tagungsbetrieb und die Verwaltung aufrechterhalten. Kurzum: Wir sind gegenüber Bursfelde und Loccum unterprivilegiert. Ich gehe nicht davon aus, dass dieser Zustand sich in absehbarer Zeit ändert. Auf den Wunsch bzw. das Ziel, eine Dauerpräsenz in Amelungsborn einzurichten, habe ich bereits im vergangenen Jahr hingewiesen. Dieses Ziel ist auch im Jahr 2006 nicht näher gerückt. Gleichwohl bin ich sehr dankbar dafür, dass sich Familiare gefunden haben, die in den Sommermonaten eine Präsenz gewährleisten, wie wir sie das übrige Jahr über auch gut gebrauchen könnten.

Wir haben uns in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten darauf verlassen können, dass die Landeskirche unsere geistliche Arbeit hier vor Ort will und damit auch erhält. Nun müssen wir feststellen, dass wir nicht gleichsam automatisch davon ausgehen können, dass dies auch mit Alimentierung verbunden ist. Uns werden bisher zur Verfügung stehende Mittel gestrichen. Dies wäre nur dann Anlass zu Protest, wenn wir überproportional gekürzt werden würden. Dies ist aber nicht der Fall. Wir haben Anteil am Absinken der finanziellen Verteilungsmöglichkeiten. Und nun möchte ich es ganz deutlich auf den Punkt bringen:

Wir haben keine Eigenmittel, aus denen wir Erträge generieren könnten, die wir zum Erhalt des Klosters und seiner Arbeit heranziehen können.

Uns werden landeskirchliche Zuschussmittel künftig in immer geringeren Summen zur Verfügung stehen. Daraus folgt: Wir müssen finanziell unabhängiger werden.

Ich habe nie geglaubt, dass es zu diesem Punkt kommen könnte, aber heute weiß ich, dass wir uns der schwierigen Aufgabe stellen müssen, auch zukünftige finanzielle Lasten schon jetzt in den Blick zu nehmen, damit die große Aufgabe, die Abt Christhard Mahrenholz im Jahr 1960 mit der Beendigung der großen Vakanz geleistet hat, auch künftig fortgeführt werden kann. Kurzum: Wir müssen eine Stiftung gründen, aus deren Erträgnissen künftig das Kloster (mit)leben kann. Ich muss es deutlich sagen: Wir brauchen bis zum Ende dieses Jahres 2006 mindestens 25.000,--€, besser noch 50.000,--€, damit die Stiftung gegründet werden kann und wir in den Genuss von Bonifizierungszahlungen der Landeskirche gelangen. Ich bin sicher, dass uns das gelingen wird. Ich bin ebenso sicher, dass wir alle es nicht erleben werden, dass die Stiftung soviel Ertrag abwirft, dass davon das Kloster leben kann. Wir müssen wie Forstleute bei Pflanzungen denken und daran, dass erst künftige Generationen das Holz ernten können. Ich kenne viele Einwände gegen das Projekt, aber keine Alternative. Wer den ersten Schritt nicht geht, kommt nie ans Ziel. Ich bitte Sie und Euch alle, sich selbst an einer Einlage zu beteiligen oder andere zu motivieren, hier mitzutun.

Abschließend weise ich auf einige aktuell laufende oder bald ins Haus stehende Ereignisse hin. Ich fange mit den Sorgen an, dann kann ich mit Freuden schließen: Die Orgel muss repariert werden. Unter 30.000,- € wird das kaum zu machen sein; der Renovierungsbedarf an der Kirche schlägt mit weit über 1 Mio. € zu Buche. Das lässt sich alles nicht in einem Jahr bewerkstelligen und muss es auch nicht, aber wir müssen an die Sachen herangehen. Gottlob gibt es immer auch ehrenamtliche Mitarbeit bei schwierigen Vorhaben. Zwei Studenten der HAWK Hildesheim machen noch in diesem Jahr einen Vorschlag zur Erneuerung der Beleuchtung der Klosterkirche. Sie sind mit großer Freude bei der Sache. Einer der Vorschläge aus der Zukunftskonferenz lautete: Denkt über eine Erneuerung des Chorgestühls nach. Lässt sich da vielleicht eine Sitzheizung einbauen, so dass wir den Hohen Chor auch im Winter nutzen könnten, ohne die Kirche ganz aufheizen zu müssen? Unser Klosterküster Marx hat kürzlich die Energiekostensteigerung für die Heizung errechnet und allein für das vergangene Jahr eine Steigerung um ein Drittel feststellen müssen. Die Kirche wird künftig an jedem Sonntag um 10 Uhr als Gemeindekirche genutzt, denn nach einem längeren Prozess haben sich die Klostergemeinden Negenborn und Golmbach zur Ev.-luth. Kirchengemeinde Amelungsborn vereinigt. Am kommenden Sonntag (1. n. Tr./ 18.6.2006) wird hier ein Fest gefeiert, an dem das Kloster die Gemeindeglieder herzlich willkommen heißen möchte. Da können noch viele von uns mitwirken.

Die Zukunft der Pilgerherberge ist ungewiss. Gewiss ist nur das Ende der Förderfrist durch die Klosterkammer Hannover im November d. J. Wir sollten da langfristig denken und mit allen Mitteln nach Aufrechterhaltung des Angebotes Ausschau halten. Es gibt sehr beeindruckende Begegnungen, so z. B. mit Managern im Rahmen des spiritual consulting des KDA Hannover.

Im Zusammenhang mit dem Pilgerweg Loccum – Volkenroda hat auch das LKA Hannover seinen diesjährigen Betriebsausflug hierher gelegt. Das wird am 1. Juli sein und wir sollten da ein Programm bieten wie für die Kirchentagsbesucher im vergangenen Jahr. Das waren 108. Vom LKA kommen mehr.

Ich schließe hier – ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Von den finanziellen Schwierigkeiten musste ich berichten. Ich habe sie mir nicht ausgesucht.

Ich hoffe, dass der Bericht nicht so kompliziert war, wie die Hinweise der Dame gegenüber dem Bengel, der den Weg zum Lehrter Bahnhof sucht. Und ich hoffe, dass Ihr nicht so reagiert wie der Junge und sagt: Das ist mir zu kompliziert, da verlaufe ich mich lieber. Wer so etwas sagt, der muss ja bereit sein, nach langen Umwegen sein Ziel nicht zu finden. Das Ziel gefunden zu haben aber, das gehört zu denen, die hier ein- und ausgehen.

Vielen Dank.

Eckhard Gorka

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