Die Johannesschüssel

Um die Zeitenwende lehrte Johannes der Täufer, der Sohn des Priesters Zacharias und der Elisabeth, als großer, unabhängiger Prediger der messianischen und apokalyptischen Bewegungen im Heiligen Land die Taufe zur Vergebung der Sünden (Mt 3, 1-5; Mk 1, 2-8 und 11,32). Er taufte auch Jesus, den er als Messias erkannte und das "Lamm Gottes" nannte. Obwohl er jede Messianität von sich wies und sich lediglich als "Vorläufer" verstand, ließ der Landesfürst Herodes Antipas ihm aus Furcht vor Unruhen und auf Betreiben seiner Frau Herodias und deren Tochter Salome wahrscheinlich A.D. 29 das Haupt abschlagen (Mk 6, 17-29), hatte er doch in seinen Predigten das ehebrecherische Verhältnis des Herodes zu der Herodias öffentlich getadelt.
Johannes genoss im Mittelalter hohe Verehrung und wurde oft auf Altarbildern und als Skulptur dargestellt. Besonders in den germanischen Ländern wurden nach seiner in der Kathedrale von Amiens aufbewahrten Kopfreliquie Kopien als Johanneshäupter und Johannesschüsseln angefertigt und verehrt. Im 15 - 17. Jh. nahm der Johanneskult in der Volksfrömmigkeit und im Wallfahrtswesen stark zu. Johannesschüsseln galten als heilsam bei Kopfweh, Halskrankheiten und Infertilität der Frauen. Sie wurden meist an der Wand oder über Türen von Johanneskapellen angebracht und am Tage der Enthauptung des Täufers (29. August) auf dem Altar aufgestellt.
Auch Kloster Amelungsborn besitzt eine Johannesschüssel. Für seine Klosterkirche bestand im Mittelalter neben der Hauptpatronin Maria ein Johannespatrizinium. Vielleicht deshalb wurden während der Errichtung des gotischen Chores Mitte des 14. Jhs. im nördlichen Seitenschiff die Köpfe beider Heiligen auf Gewölbeschlusssteinen dargestellt. Der blutrote tellerförmige Schlussstein im Scheitel des 2. Jochs zeigt das Haupt Johannes des Täufers im Halbrelief mit dem charakteristischen langen Haupt- und Barthaar.
HWG 2001

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