Der Levitensitz im Hohen Chor

Der Levitensitz ist ein dreiteiliges, aus Stein oder Holz gestaltetes Gestühl an der südlichen Chorseitenwand einer Kirche, auf dem Priester, Diakon und Subdiakon (die Leviten) Teilen des liturgischen Hochamtes sitzend beiwohnen und sich bei längeren Gebeten auch stehend an die vom unter den Sitzen angebrachten, hochgeklappten Gesäßstützen (Miserikordien) anlehnen können.

Der an der Südseite des Chorquadrats zwischen 2 Säulen eingepasste, reich verzierte Amelungsborner Levitensitz aus rotem Sandstein datiert in das 3. Viertel des 14. Jahrhunderts. Baldachine über den Sitzen tragen offene tabernakelartige Aufsätze mit verschiedenen Dachbildungen aus Krabben, Kreuzblumen und Fialen. Maßwerkgefüllte Wimperge über den Sitzen stehen auf Konsolen mit Blattwerk, Masken und einer kleinen kriechenden Gestalt. Die Stelle des linken Baldachins nimmt St. Bernhard als plastische Freifigur eines tonsurierten Mönchs ein, den Hirtenstab in der rechten und ein beschlagenes Buch (Bibel) in der linken Hand.

Die vier schräg aufsteigenden Sitzwangen haben in Sitzhöhe deutlich vortretende runde Kopfstücke und verlaufen oben in die schmalen Vorderseiten der Baldachine. Diese sind reich mit figürlichen Darstellungen in Halbrelieftechnik bedeckt, die in Kontrast zu der schlichten Zisterzienserkirche stehen und dadurch eine starke meditative und prägende Wirkung auf die anwesenden Mönche ausgeübt haben müssen. Es sind (von links nach rechts)

  1. ein bärtiger betender Mann mit langem gegürteten Mantel, möglicherweise jener Hiskia, der um 700 v. Chr. erfolgreich die Feinde Israels bekämpfte und gegen den Götzenkult vorging.

  2. Simson mit flammendem Haar, wie er einem aufgerichteten Löwen den Rachen auseinander reißt: Sinnbild der Tapferkeit, die selbst die Pforten der Hölle überwindet.

  3. Ein Fuchs im geistlichen Gewand einer Mönchskutte, mit einem am Vorderfuß angehefteten Buch und in der Verborgenheit der Kapuze einem kleinen Fuchs, warnt gleichnishaft, wie Schlauheit im Mantel der Demut zwei vor ihm hockende Gänse zu täuschen vermag.

  4. Ein rosettenartiges Blatt, das für das mönchische Schweigegebot und die Tugend der Mäßigkeit stehen mag.

H.W. Göhmann 2005

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