Die Weinbergschnecke

Die Weinbergschnecke
Die Weinbergschnecke

Die Weinbergschnecke (Helix pomatia) ist die größte deutsche Schneckenart. Man findet sie in kalkbetonten lichten Wäldern, Hecken und Gebüschen Mittel- und Südosteuropas, so auch regelmäßig im Amelungsborner Klosterbezirk. Das kugelig gewundene, gelbbräun­liche, mit blassen rotbraunen Querbinden gezeichnete Gehäuse wird 3-5 cm hoch und breit. Sie kann 35 Jahre alt werden. In der Tatsache, daß sie ihr Haus im Winter mit einem Deckel ver­schließt, in das sie sich zu todesähnlichem Schlaf zurückzieht um im  Frühling in wundersamer Weise wieder hervor zu kriechen, sahen Christen seit dem Mittelalter eine Parallele zur Ostergeschichte. Hatte doch Joseph aus Arimathäa den von Pilatus erbetenen Leichnam Christi in ein Felsengrab gelegt, das er mit einem großen Stein verschloß. Nach dem Sabbat fanden die Frauen den Stein entfernt und das Grab leer. Christus war auferstanden! (vgl. Mt 27, Mk 15-16, Lk 23-24; s. auch Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterAM 14) So wurde die Weinbergschnecke in der Volksfrömmigkeit ein Symbol der Auferstehung Christi mit dem Hoffnungsglauben auf neues Leben aus der Dunkelheit des Todes. Ihres Gehäuses wegen, das dem Uterus vieler Tiere ähnelt, galt sie zudem schon in ältesten Mythologien als Symbol von Geburt und Wiedergeburt. Seit dem 14. Jahrhundert wurde die ihr Haus tragende Schnecke zum Zeichen innerer Einkehr, Selbsterkenntnis und Vorsicht.

Man findet sie auch häufig in der religiösen Kunst, wo das Leiden, Sterben und die Auferstehung Christi thematisiert sind. Besonders eindrucksvoll ist das mächtige, aus Erz gegossene Sebaldusgrabmal mit den Reliquien des Heiligen in der Nürnberger Stadtkirche, der als Einsiedler und Glaubensprediger aus Dänemark am Fuße des Burgfelsens seine letzte Ruhe fand. Der von Peter Vischer und Söhnen 1519 für die neue Wallfahrtskirche vollendete kostbare Schrein ruht auf 4 Delphinen und 12 Weinbergschnecken! Eine Schnecke verstärkt auch das Auferstehungsmotiv auf einem 1595 von Jan Brueghel gemalten Bild, auf dem Jonas dem Rachen des Walfischs entsteigt. Und in Kreuzigungspanoramen mancher Kirchen, etwa am Chor der Stuttgarter Leonardkirche, verweisen Weinbergschnecken auf die Überwindung des Todes durch Jesus.

H.W.Göhmann 2006

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