Zangenlöcher

Zangenlöcher
Zangenlöcher

Wer das Äußere der Amelungsborner Klosterkirche näher betrachtet, wird an den Wandflächen und Strebepfeilern des gotischen Mauerwerks runde finger- bzw. daumengroße Vertiefungen  entdecken,  die den Quadern und Bruchsteinen mittig eingehauen sind. Abgesehen von den ins Innere zu den dort in der Mönchszeit aufgestellten Piscinen führenden Abflussöffnungen (Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterFolge 10), sind es sog. Zangenlöcher aus der Bauzeit, die Auskunft über die damals verwendete Hubtechnik geben.

Zur Zeit der Romanik wurde das Material für Großbauten noch von Handlangem in einem geschulterten Holztrog über leiterartige Laufschrägen oder mit einfachen mechanischen Hebegeräten an einem Seil von Hand über eine Leitrolle auf höher gelegene Arbeitsstellen am Bauwerk hochgezogen. Seit dem 12. Jh. gab es schon schwenkbare Galgenkräne und andere Weiterentwicklungen.
Die Entwicklung gipfelte in den seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Gebrauch kommenden Treträdern an Laufkränen, die durch das Körpergewicht von im Innern der Trettrommel laufenden Männer angetrieben, die Hubkraft des Aufzugs erheblich steigerten und in Verbindung mit der neuartigen Steinzange (Abbildung links) einen Produktivitätsschub bewirkten, der besonders den im Hoch- und Spätmittelalter aufblühenden Kathedral- und Klosterkirchenbauten zugute kam.
Wenn das Aufzugsseil mit Hilfe der Trettrommel angespannt wurde, fassten die scherenartigen Spitzen der Steinzange in die Löcher gegenüberliegender Seitenflächen des Mauersteins und hoben ihn an. Beim Absetzen auf der Mauerkrone gab die Zange den Stein wieder frei. Die Zangenlöcher aber blieben nur teilweise sichtbar, weil sie im Mauerverbund verdeckt waren, manchmal auch vermörtelt wurden.

HWG 2003

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